In 70 Minuten um die Welt (Neue Presse Coburg, 23.06.2024)
KIRCHLAUTER. Tief, ganz tief. So tief wie die Nautilus in Jules Vernes Büchern in die Meeresgründe hinabtaucht, so tief taucht die gleichnamige Band in die musikalischen Sphären elektronischer Musik. Wer dem Mix aus feinem Artrock im Stil der 1990er-Jahre, verbunden mit nahezu überirdischem Synthesizer-Sound à la Tangerine Dream, gewürzt mit Pop-, Rock-, Blues- und Folklore-Elementen lauscht, hat selbst das Gefühl, für einen Moment die irdische Oberfläche zu verlassen und auf Tauchgang zu gehen. Auch auf der neuen CD, die nun unter dem Titel „When time is just a word“ erschienen ist: Vielleicht nicht in 80 Tagen um die Welt, stattdessen aber in 70 Minuten in eine ganz andere. Eine, die irgendwo zwischen Elektronik, New Age und Prog-Rock liegt. Und an einem Meer der Entspannung.
Ein entspannter Typ ist auch Werner Strätz, der der „Nautilus“ seit vielen Jahren mit seinem virtuosen Gitarrenspiel seinen Stempel aufdrückt. Ein Fan von Jules Vernes ist er eigentlich nicht, sagt der Mann aus Kirchlauter, der sich das Gitarrenspiel selbst beigebracht hat. Klar, die Blockbuster kennt er – 20 000 Meilen unter dem Meer oder in 80 Tagen um die Welt. Aber im Jules-Vernes-Fanclub ist er – anders als Nautilus-Gründer Martin Ludwig – eigentlich nicht. Und trotzdem scheint das irgendwie zu passen mit dem Kirchlauterer und dem französischen Autoren, dass die Symbiose so gut gelingt: Wo der eine seitenweise für Spannung sorgt, lässt der andere saitenweise die Atmosphäre dazu lebendig werden. Seit 1998 gibt es „Nautilus“, zum 25-Jahr-Jubiläum im vergangenen Jahr gab es (mit „A floating city“) das achte Studioalbum, nun legen die Musiker noch eins drauf. Wieder hat Jules Vernes seine Finger im Spiel, „When time is just a word“ heißt das Album, angelehnt an die berühmte 80-tägige Weltreise von Phileas Fogg und Jean Passepartout – fernab von Raum und Zeit, ganz im eigenen Kosmos. Zeitlose knapp zwölf Minuten lang dauert die instrumentale Weltenflucht mit dem Titel „Travellers without time“, genug Zeit, um einzutauchen. Episch. Und tief, ganz tief.
Doch es gibt auch Vokal-Stücke, harmonisch und warm, „A Gentlemen’s bet“ etwa. Melancholischen Blues steuert auch „Back home in silence“ bei, während „Donkeys and sheep“ folkloristische Farbkleckse setzt und „crusading lights“ für ein bisschen mehr rockiges Drama sorgt. Von einem Höhenflug zum nächsten. „To another dimension“ eben. Die Gitarre steht dabei stets im Zentrum, „der Sound kommt aus den Fingern des Gitarristen“, formuliert es Werner Strätz. Auch auf dem neunten Album werden Erinnerungen wach an Mike Oldfield oder David Gilmour, was ja nun nicht das Schlechteste ist. Und dennoch ist die Nautilus mit ihrem ganz eigenen unverwechselbaren Sound unterwegs. Freilich sei er stolz, wenn ihn die Fachpresse mit Gitarren-Legende Rory Gallagher, Dire-Straits-Star Mark Knopfler oder gar Altmeister Santana vergleicht. „Tolle Kritiken, die gehen natürlich runter wie Öl“, sagt Werner Strätz. Doch noch mehr Stolz gebührt dem Wissen, etwas ganz Eigenes zu leisten. „Ich wollte immer mein Ding machen, etwas Eigenes kreieren, statt nur Cover-Musik zu machen“, sagt Werner Strätz. Er hätte Karriere machen können in einer Partyband, als 20-Jähriger schien das Angebot von 2000 netto“ doch verlockend. Doch der Musiker wollte seinen eigenen Stil. „Werner Strätz hat es nicht nötig, zu covern“, schrieb ein Musikexperte.
Noten lesen? Braucht er nicht. Strätz ist das, was man einen Autodidakten nennt. Geholfen hat sein fantastisches Gehör. Mit zwölf Jahren hat er ein Radiogerät geschenkt bekommen, erinnert er sich: „Darauf gab’s einen roten Knopf für ,Radio Luxemburg’.“ Ein Knopf, der ihm die Welt öffnete für den Blues, den der Teenager dann Takt für Takt nachzuspielen versuchte. Bis zur Perfektion. Denn die ist Werner Strätz verdammt wichtig. Und so ist auch das neue Album „noch weniger improvisiert, mehr durchkomponiert“, wie Werner Strätz sagt, „und viel zielgerichteter gearbeitet“. Was noch anders war diesmal? „Ich hab mehr genörgelt“, lacht der Gitarrist, „bis ich dann mal zufrieden war“. Wobei sich die Bandkollegen gar nicht persönlich auf den Senkel gehen können, da sie gar nicht miteinander im Studio stehen. Stattdessen schicken sie sich die eingespielten Takes per Post oder E-Mail zu und geben jeweils ihren musikalischen Senf dazu. Neben Gründer Martin Ludwig und Ralf Obel, der 2003 ausgestiegen ist, sind es noch Keyboarder Jürgen Dürrbeck und Sänger und Bassist Meiko Richert. Die beiden Letzteren kennt Werner Strätz noch nicht einmal von Angesicht zu Angesicht, wir haben es noch nie geschafft, uns einmal persönlich zu sehen“, gesteht Werner Strätz lachend.
Doch bei allem Perfektionismus: Korrekturen am Computer gibt es nicht. Geht was daneben, geht’s von vorne los. Geleistet haben sich die Musiker ein neues Aufnahmegerät, „gebraucht für 200 Euro“, sagt Werner Strätz. Beim guten Ton unterstützte wieder einmal Grobschnitt-Mitbegründer und Mastering-Experte Eroc. In Bandkollege Martin Ludwig hat Werner Strätz eine verwandte Seele getroffen, was den Drang zur Perfektion angeht. Da dauern die Aufnahmesessions schon einmal bis nachts um drei. Auch ihn hat er durch die Musik kennengelernt, spät erst, obwohl Martin Ludwig aus Ebern stammt und Werner Strätz aus dem nur knapp 13 Kilometer entfernten Kirchlauter. Doch erst Musik verbindet eben.
Als Betriebsrat bei Valeo in Ebern hat Werner Strätz derzeit wahrlich keinen schönen Job, der musikalische Ausgleich daheim in Kirchlauter tut gut. Und der menschliche. Partnerin Sybille stärkt dem Gitarristen den Rücken. „Zu einem guten Musiker gehört eine gute Frau“, hat ihm ein befreundeter Musikerkollege einmal gesagt. Das allein reicht leider nicht ganz. „Ich muss täglich eine Stunde üben, um das zu halten, was ich kann“, sagt Werner Strätz. Doch er legt noch zwei weitere Stunden drauf, denn „was ich jetzt mache, hab ich dann irgendwann“, erklärt er. Man muss dranbleiben, um Weltklasse zu sein. Und so wandert die Gitarre auch mit in den Urlaub. Doch seine Partnerin zeige auch dafür Verständnis, freut sich Werner Strätz. Ihr hat er den Song „In your eyes“ gewidmet, im Netz mittlerweile rund 120 000 Mal geklickt. Ein schöner kommerzieller Erfolg, doch der ist der „Nautilus“-Besatzung nicht wichtig. Wichtiger sei die Freiheit, „für uns zu spielen, da hat auch kein anderer etwas zu sagen“, sagt Werner Strätz.
Der Erfolg (die Fachpresse vergibt auch diesmal wieder Bestnoten) und die Anerkennung von Musikfreunden in England, den USA, Asien, Frankreich, den Niederlanden, Belgien und Skandinavien geben den Musikern Recht. Befreundete Fans aus Israel wollen nun gar eine Doku mit dem Gitarristen aus Kirchlauter drehen. Und vielleicht reist auch die dann in 80 Tagen oder mehr einmal um die ganze Welt.
Copyright: Neue Presse Coburg, Tanja Kaufmann
Interview mit CLASSIC ROCK (Juni 2024)
Nautilus muss man in Schüben genießen, könnte man meinen. Folgte der Bandgründung vor 26 Jahren eine produktive Phase von sechs Alben bis 2008, ließ man bis zum nächsten Lebenszeichen glatte zwölf Jahre ins Land ziehen, um nun in der zweiten Inkarnation der Formation im Zweijahresturnus erneut hochwertige Kost für Freunde analoger Synthsounds und eskapistischer Literatur anzubieten.
Das aktuelle Werk hört auf den Titel WHEN TIME IS JUST A WORD, gesetzt in den situativen Rahmen von Jules Vernes „In 80 Tagen um die Welt“, ohne jedoch zu nah am Buch zu haften. Wie Sänger Meiko Richert verlauten lässt, wollte man die Inspiration nicht zu dominant im Material abbilden und beschränkte sich auf kurze Momentaufnahmen einiger Buchszenen und -themen: „Martins (Ludwig, u. a. Synths; Anm. d. Red.) ursprüngliche Idee war es, Soundtracks zu den Romanen von Jules Verne zu entwerfen. Wir versuchen jedoch, das nicht zu aufdringlich zu gestalten, sodass auch Menschen, die mit diesem Autor nichts anfangen können, trotzdem einen Zugang zu der Musik finden. Es geht uns eher darum, Bilder im Kopf der Zuhörer entstehen zu lassen, als ihnen diese Bilder vorzugeben.“ Diese entspannte Herangehensweise schlägt sich in den Komposition nieder, wie Meiko erklärt.
Wo beispielsweise Gitarrist Werner Strätz in der Vergangenheit gern einmal fast fertige Demos in den Raum warf, versorgte er den Hauptkomponisten Martin Ludwig für WHEN TIME IS JUST A WORD vorrangig mit Akkordfolgen, die dieser dann in seinem, wie Meiko es scherzhaft nennt, „Synthesizerpark“ aus analogen und digitalen Instrumenten zu den finalen Klanggebilden ausweitete und arrangierte, bevor Grobschnitt-Urgestein Eroc im Mastering die Schallanordnungen in ihr fertiges Gewand kleidete. Das Thema des bewussten Wandels, des Sich-Entwickelns und Ausbrechens aus starren Mustern sieht Meiko auch im Privaten als prägend: „Ich habe mich 2020 aus einer festgefahrenen Beziehung verabschiedet und erhielt durch meine neue Partnerin, die ich ebenfalls seit 30 Jahren noch aus Studienzeiten kenne, einen frischen Ausblick auf vieles. Man muss einfach manchmal ausbrechen und rausgehen, um einen distanzierten Blick auf die Dinge werfen zu können. Daher berührt mich auf der Platte der Song „Wherever You Go“ auch mit am stärksten – ich finde, Martin hat da einen unglaublichen, mich persönlich stark berührenden Text geschrieben.“
Liveaktivitäten der bisher ausschließlich als Studioprojekt agierenden Gruppe sind zwar aufgrund der technischen Komplexität der Stücke noch immer nicht geplant, aber wie Meiko schmunzelnd erklärt: „Lust hätte ich da eigentlich schon mal drauf.“
Copyright: Robert Helle (Classic Rock 06/24)
Interview mit Eclipsed Magazin (November 2022)
Ihren originellen Mix aus Artrock Marke Mike Oldfield’scher Gitarrenarbeit und traditioneller elektronischer Musik à la Berliner Schule zelebrieren Nautilus schon seit 1998. Seit dem letzten Album „The Mystery Of Waterfalls“ von 2020 gewannen die Keyboarder Martin Ludwig und Jürgen Dürrbeck sowie Gitarrist Werner Strätz als Sänger und Bassisten noch Meiko Richert hinzu. Nach der zwölfjährigen Auszeit vor „Waterfalls“ haben die Kapitän-Nemo-Meeressüchtigen mittlerweile wieder mächtig Fahrt aufgenommen. Von den Jules-Verne-Themen, denen sie bereits Bandnamen wie Konzeptalbentitel verdanken, kommen sie nicht weg: Nach „20.000 Meilen unter dem Meer“ wie zuletzt nun also eine Quasi-Vertonung des französischen Abenteuerromans „Une Ville Flottante“ von 1871: „A Floating City“. Was fasziniert die musikalischen Seefahrer so sehr an diesem großen Elder Statesman der frühen Science-Fiction? Und wie muss man das Cover interpretieren, das einen Ozeandampfer zeigt, der gerade dabei ist, über einen riesigen Wasserfall zu kippen? Visualisierung der Vorlage, ein Hinweis auf das große Unglück der Titanic später im Jahre 1912 oder ein versteckter Fingerzeig auf die Kipppunkte des Klimawandels? Martin Ludwig ist in allen Punkten ganz eindeutig: „An Verne fasziniert, kurz gesagt, die Vielfalt phantasievoller Themen. Für die Titanic ist ‚A Floating City‘ aber keine Blaupause, da es im Roman keine Schiffskatastrophe gibt. Das Cover mit dem über dem Abgrund hängenden Schiff bezieht sich nicht auf das Buch, sondern auf den gegenwärtigen Zustand der Menschheit. Der sarkastische Text im Song ‚The Great Eastern‘ ist ja unmissverständlich. Vernes wirkliche ‚Great Eastern‘, das Schiff, auf dem er selbst gereist ist, hat hingegen alle Fahrten heil überstanden.“ Und wie genau nehmen Nautilus Passagen des Schriftstellers als Vorlage wie diesmal bei „A Floating City“? „Wir verwenden die Verne-Themen hauptsächlich als Basis und transportieren sie in einem übertragenen Sinne in die Gegenwart. Im Falle von ‚A Floating City‘ also vom Optimismus der Auswanderer im 19. Jahrhundert hin zum Ende der Illusionen von unbegrenzter Freiheit und ewigem Wachstum.“ Einen Mangel an weiteren Verne-Storys sieht man augenzwinkernd übrigens nicht: „Da geht uns eher das Trinkwasser aus … Vielleicht gibt es nächstes Mal noch eine Reise um die Erde in 80 Minuten.“
Copyright: Walter Sehrer (Eclipsed 11/2022)
Interview mit Classic Rock Magazin (Oktober 2022)
Es gibt ein neues Album der deutschen Progrocker, diesmal mit gleich drei Gesangsnummern. Und Jules Verne lässt weiterhin grüßen. Der Name ist Programm: Bei der Dortmunder Formation Nautilus stehen die fantastischen Erzählungen des französischen Schriftstellers Jules Verne im Epizentrum eines atmosphärischen Progrocks britischer Prägung. Die Vorbilder der Band: natürlich Pink Floyd, aber auch Mike Oldfield und Wishbone Ash. Anfangs hatte sich die vierköpfige Gruppe auf Instrumentalstücke spezialisiert, auf ihrer neuesten Scheibe, A FLOATING CITY, gibt es jedoch auch drei Gesangsnummern und einen festen Sänger. „Im Vergleich zu unseren früheren Alben ist A FLOATING CITY mehr durchkomponiert und weniger improvisiert“, erklärt Martin Ludwig, Gründungsmitglied der Band, und fügt hinzu: „Trotz des gestiegenen Textanteils sind sieben der zehn Titel wieder rein instrumental. Und obwohl mehr Elemente des Prog- und Folk-Rocks hinzugekommen sind, können wir unsere Wurzeln in der sogenannten Berliner Schule nicht leugnen.“ Entstanden sind Nautilus im Jahr 1998, zunächst als Elektronik-Duo. Das Debutalbum, RISING BALLOON, wurde vom ehemaligen Grobschnitt-Schlagzeuger Eroc produziert. Seiher sind sechs weitere Scheiben hinzugekommen, zuletzt das 2020er Werk THE MYSTERY OF WATERFALLS. Eroc hat auch A FLOATING CITY wieder gemastert und taucht im Finale sogar als Überraschungsgast auf. Wie? Das möchten Nautilus natürlich noch nicht verraten, denn, so Ludwig: „Dann wäre es ja keine Überraschung mehr.“
Sein Faible für die Fantasiewelt des berühmten SciFi-Autors liegt in Ludwigs Jugend begründet: „Ich bin seit meiner Kindheit damit infiziert und neige grundsätzlich dazu, das Kind im Manne ausgiebig zu pflegen“, gesteht er. „Seit unser neuer Sänger Meiko Richert in der Band ist, sind wir da schon zu zweit. Denn Meiko ist Redakteur des Jules-Verne-Club-Magazins, er ist also voll im Thema.“ Und wovon handelt A FLOATING CITY? Ludwig: „Das Buch ‚Eine schwimmende Stadt‘ ist eine in Teilen autobiografische Reiseerzählung von Verne und seinem Bruder aus dem Jahr 1867. Wir haben das Thema in die Realität der Gegenwart versetzt, wobei die Symbolik des Cover-Motivs mit dem halb über dem Abgrund hängenden Kreuzfahrtschiff recht offensichtlich ist. Es geht uns aber nicht darum, eine Botschaft zu vermitteln und damit Eulen nach Athen zu tragen. Der Sarkasmus in den Texten ist eher Ausdruck unsers eigenen Empfindens und der Fassungslosigkeit über den Zustand der Welt, besser gesagt: der Menschheit.“
Copyright: Matthias Mineur (Classic Rock 10/2022)
Interview for Fireworks Magazine UK, Issue 95 (June 2021)
NAUTILUS are an excellent Progressive Art Rock Electronic trio from Dortmund, Germany. They have a new ten track album out now called ‚The Mystery of Waterfalls’ which runs in at around an hour long and is the bands seventh album. It is a beautiful Easter Monday. Martin Ludwig, the founder of Nautilus, sits in his garden and gazes into the sun. A nice cup of coffee is exactly right for the moment. The house is located in Dortmund, a busy German town, but Martin lives in the suburbs, where life is a bit more relaxed. Since the spring-like weather promises another sunny day, the time feels right to talk about the new album. Martin became involved with music because his older brother played in a local band, and it was exciting for the younger brother to be in their rehearsal room sometimes when they were playing German hits like ‚Mendocino‘, and also rock and jazz standards.
„For example, my first favourite rock song when I was six or seven years old. It was ‚Lookin out my back door‘ by CCR,“ he tells me between slurps of coffee. Guitarist Werner Strätz was involved with music since the earliest days of his childhood, and he began his musical career as a little drummer with two wooden spoons and a kitchen bucket. Even as a schoolboy synth man Jürgen Dürrbeck was already fascinated by electronic music, and he was especially taken with Tangerine Dream, Klaus Schulze, Kitaro and Jean Michel Jarre. „No new LP from these musicians, which I had not bought immediately. I was fascinated by the seemingly boundless possibilities of this music, these all-new sounds, and atmospheres. If I put on a new record, I never knew what to expect and was regularly positively surprised. This kind of music sets my imagination running wild and creates feelings like no other,“ he enthuses. „Since music in general always accompanied me, I also had acoustic guitar lessons for several years during my school time and thus found my way into the world of music theory at an early age. At that time, however, only the analogue synthesizers with their keys and the corresponding knobs and sliders could really fascinate me, but I could not have afforded such an instrument at that time. I never developed a deep passion for the guitar. Electronic music always had a high value in the further course of my life. I never missed the legendary radio show ‚Schwingungen‘ by Winfried Trenkler and learned about many more performers and styles. One day, when Nautilus won an award at a ‚Schwingungen‘ event, I was also present, but I had not yet met the band personally and had never dreamed of being one of them. And at the turn of the millennium the time had finally come (and actually it had only been a matter of time from the beginning): I bought my first synthesizer together with a PC and Cubase VST 5.0, taught myself to play the keys and created my first little compositions,“ he smiles. During the following years Dürrbeck met Martin Ludwig at one of the ‚Schwingungen‘ events, after having been in mail contact with him for a long time before, at a time when he was still running his CD mail order business. It turned out that he supported him a little bit in finding interesting CDs at various events. „At some point I had the courage to tell Martin that I would also do some music as a hobby. He asked me directly to send him something, which I did. Between quite a lot of useless things there was a quiet and very melancholic piece, which Martin liked. It would fit well to the end of his new planned CD, he said. And so it happened: ‚The End – Isn’t it?‘ was my first title that saw the light of day. But from my point of view only Werner’s excellent guitar playing made the piece what it was today.“
Motivated by this development, Dürrbeck continued to produce, and two more songs found their way onto ‚Along the Winding Road‘. „Unfortunately, it became quite quiet around Nautilus after that, without me being able to give the reasons for that today. Everyday life had us in control and, as we all know, time flies. When it became clear after years that Nautilus would produce a new album, I had accumulated quite a bit of music in the meantime, so that I was able to send Martin a flood of pieces. Some of it turned out to be quite useful. The result is now available, and I am proud to have been involved in ‚The Mystery of Waterfalls‘,“ he says with satisfaction. Music has always been a huge influence on singer Meiko Richert, and even as a kid he was trying to compose some of his first musical sketches. During his studies he recorded his first cassettes with a tape recorder and gave them to friends. „I hope most of them have forgotten about it by now,“ he laughs. „Later, when it was more affordable for me, I purchased some home equipment and played in a goth band. In 2004 or 2005, I discovered Nautilus and immediately fell in love with their songs,“ he says with spirit. „But it took some more time (until 2015, to be more specific) to contact Martin and ask him for an interview for a German magazine.
During this interview he also told me of his plans to create a new album with Nautilus. We never lost contact, and since Nautilus had no web site in these days, I was happy enough to create a new page for the band. Later (I had sent him one of my own CDs in the meantime), Martin asked me if I wanted to sing on one of his new songs. And so it all came into place.“ The Mystery of Waterfalls‘ is the first Nautilus album in twelve years, and it is certainly not surprising that the new album is partly based on another Jules Verne story (‚Twenty Thousand Leagues Under the Sea‘) and figuratively on the element ‚water‘. „Although each song is different, we wanted to produce a consistent flow from beginning to the end. The addition of some vocals and voice samples gave us a wider range of expression,“ explains Martin. There is really no Nautilus album in which the stories of Jules Verne do not play one or the other role. „The ‚waterfall‘, which gave the album its title, plays a special role in the novel ‚The Mysterious Island‘ – this book is the sequel to the famous ‚Twenty Thousand Leagues‘,“ says Meiko. The most obvious difference between the new and last album is that Nautilus have a singer on board and although the most songs are without vocals. „it´s a great pleasure for us. Also, we mixed up the guitar lines in a different way compared to earlier times. So, some tracks have a twin guitar effect with slightly different guitar tracks played on top of each other,“ explains Martin. Martin is one of the few who were first a fan of Ringo Starr before became a Beatles maniac. !At the age of nine I was flashed by his hits ‚Photograph‘ and ‚You´re sixteen‘ and it was his album ‚Ringo‘ (1973) that was the first album I bought with my own pocket money,“ he adds. A little bit later, he got the Beatles films ‚A Hard Day’s Night‘ and ‚Help‘ both of which helped to inspired him to take guitar lessons at the age of ten.
The next great musical impact was ‚Wish You Were Here‘ by Pink Floyd, which showed the young musician a new world of music apart from strict song structures. When he was thirteen or fourteen, an older school friend brought him in touch with some progressive or so called ‚Krautrock‘ bands like Eloy and Grobschnitt but even electronic based music, especially Tangerine Dream. „A further great influence for me were British folk and rock bands like Pentangle or Fairport Convention with the wonderful Sandy Denny. But when I look back, maybe the first four albums of Mike Oldfield were the music that inspired me most to create my own music. ‚Ommadawn‘ is still my favourite all time classic since over forty years. There are even some musicians from this century who touched my heart and soul. So, I felt really in love with the voice and songs of Sam Genders (Tunng / Diagrams). His album ‚Dorothy‘ is one of the most beautiful albums I´ve ever heard. The first song of it inspired me to choose the title of our song ‚The Kindness of Rain‘,“ he tells me. The most important musicians for Werner are Bob Dylan, David Gilmour, Rory Gallagher, Bernie Marsden, Jimi Hendrix, Eric Clapton and many more blues guitarists. Jürgen’s musical heroes are the performers he previously mentioned elsewhere in this article. „Especially the so-called Berlin School with its ‚flagship‘ Klaus Schulze has a special position here. The musical inspirations in detail are manifold. Mostly it is a specific sound, which creates a certain mood, atmosphere or even feeling, on which I develop a song. Rather seldom is it a rhythm, a groove that creates the basis. In which direction a song develops, depends strongly on my current mood. So it is often music straight from the gut. Rarely do I have a concrete topic in mind that I try to convert into music. My songs on ‚The Mystery of Waterfalls‘ were written before I knew the theme of the album. All the more fascinating how perfectly they fit into the overall work,“ he expresses. The track ‚Awakening in the Deep‘ was one of the few pieces where he had a concrete picture in mind before he started. „In fact, it was about something threatening, mysterious that, as the title unmistakably describes, awakens in the depths. It’s great how well this can now be applied to the topic of Captain Nemo and his submarine,“ he explains. The song ‚New Times‘ was created at a time when he was searching for melancholy, harmony and ‚goose bumps‘. „The title should consciously start with simple harmony sequences that are immediately catching your ear and increase steadily to an opulent and (hopefully) goose-skin-evoking finale. John Kerr sends his regards … And again, it is Werner’s rousing guitar playing that makes an essential contribution to achieve exactly this effect,“ he enthuses. The song ‚Mobilis in Mobile‘ features a really, brilliant performance by Martin, and he has combined parts of two of Dürrbeck’s compositions together with passages from Meiko to one title like a collage. „I can only say: Perfect! In my opinion, the atmosphere created fits perfectly with the emotional world of Captain Nemo and the quoted texts,“ he explains. The song: Maelstrom‘ as already mentioned, especially the Berlin School and Klaus Schulze occupy an outstanding position for Dürrbeck as it was only a question of time until he was seized by the desire to do something specifically in this direction as well. „So a longer track was created, which should deliver a driving and rousing fireworks of drums and percussion in the last third, accompanied by floating chord sequences so typical for the Berlin School. Darkly hypnotic, that was my goal. And this final part found its way onto ‚The Mystery of Waterfalls‘. It fits perfectly with the idea of a huge and dangerous water vortex or a synonym for violence and destruction,“ he enthuses.
Meiko grew up with the songs of The Beatles, as his parents were huge fans, along with classical music like Chopin and Beethoven and with the pop music of the eighties. During his studies he discovered a lot of dark wave and goth bands like The Cure or Dead Can Dance, and some years later a colleague lent him several albums of Tangerine Dream, Mike Oldfield, and Pink Floyd. „Needless to say, I was deeply impressed by their mysteriously long compositions. Today I love almost all styles of music, from rock to jazz, from classical music to experimental stuff, but it is hard to say who exactly influenced me as a singer – Alexander Veljanov (Deine Lakaien) could be one of them. But when you listen to so much excellent music in your life, probably all of it will be reflected in your own works in one or the other way,“ he expresses. „The lyrics on the other hand are directly inspired by Jules Verne’s novel ‚Twenty Thousand Leagues Under the Sea‘, also the quotations are taken from this story. I must admit that the quotations are somewhat disturbing (‚I am the law, and I am the judge. I am the oppressed, and there is the oppressor … Country, wife, children, father, and mother. I saw all perish. All that I hate is there.‘). But my own lyrics are more reflective and tell something about a Captain Nemo in retiremen t on his lonely island.“
Outside the music Martin enjoys literature, especially the works of Jules Verne and Arthur Conan Doyle but even modern crime stories and biographies. „Further I collect old TV series and British comedies (my favourite is ‚Black Books‘) and also old black and white movies especially with Laurel and Hardy but also James Stewart. I also like to travel to Great Britain and France. Not to forget – I like soccer and to play games as chess, scrabble or Carcassonne,“ he adds. Werner is a member of a workers’ council with heart and soul. „Nature is particularly important for me – and also of course Sybille, the love of my life. I have written the song ‚In Your Eyes‘ for her.“
Besides the exhausting full-time job and his family, there is hardly a day that passes when Jürgen does not read a book. „Mostly fiction in the field of mystery, but often also non-fiction. And here the range of topics is wide. Books about music theory and music production, nutrition and health, financial markets, and world economy, about the multifaceted topic ‚garden‘ etc. And just as I came from listening to music to making music, the way from reading to writing was not far away. Already as a schoolboy I started to write stories. But it never became too important for me. Years ago I published a short story in a Grimm anthology, and for years I have been working on a novel, but it will probably never be finished in this lifetime. At some point – due to lack of time – I had to choose between music and literature. The choice fell on music, and so my writing now leads a shadowy existence. But who knows – the interest is still there; the ideas are not running out? Maybe I will write again as soon as I am retired. As you can already see from the non-fiction book topics, I have also been intensively involved with the topic of ’nutrition‘ for about 15 years, due to various allergies that have been plaguing me since I was twenty years old. Meanwhile I have them well under control due to a diet perfectly adapted to my needs,“ he explains to me. „Last but not least – the topic ‚garden‘. The own cultivation of fruits, vegetables and herbs has also inspired me for an awfully long time and is implemented from time to time; but mostly only on the balcony, because it is less time consuming and not so exhausting.“
Meiko also loves to read. „When I look into my bookshelves, I see the works of Agatha Christie, Jules Verne, J. W. von Goethe, Karl May, Theodor Fontane, Georges Simenon, J. R. R. Tolkien, Martha Grimes, Emile Zola, Umberto Eco, Henning Mankell, Michael Ende and many others. Books can generate a unique realm in the minds of their readers, and the evocative power of words has always fascinated me,“ he marvels. „So, in my spare time, I translate old texts or edit the magazine of the German Jules Verne Club. There is an interesting connection to our band, because this magazine is also called ‚Nautilus‘ – and it featured the interview I asked Martin for. Apart from books, I love to walk through the parks of Berlin, with headphones on and listening to an audio book or an album of my favourite bands. Whenever there is some time left, I enjoy a good television show (anything from Laurel and Hardy to Star Trek or Doctor Who) – but time seems to be constantly lacking.“
Because the band members live far away from each other and they all have full time jobs outside the music, it isn´t possible for them to meet regularly. „So, each of us has to create concrete basic tracks on his own and in his own studio before we bring it all together,“ says Martin. Meiko describes Nautilus’ music as particularly warm and welcoming. „This is one of the things that makes it so special and outstanding for me. It’s the feeling of ‘being at home’ when you put on the new record,“ he expresses. Martin’s highlight of the album is the song called ‚Point of Return‘ not only because it´s their first vocal song, but also because of the harmonies and the song structure, just give it a listen. Nautilus have never done any live shows and there are no concrete plans to do some in the near future. „It´s mainly because of the same reasons we already explained with the band members living far away from one another. „Because we are still a studio band without concrete plans for live activities, we are not as concerned as others regarding the pandemic, but of course it´s a pity even for us that the record shops are closed,“ he sighs.
The band started to work on ‚The Mystery of Waterfalls‘ in late 2018 and it took nearly one year to produce it. The end mix was done in Martin´s home studio in Dortmund before Eroc finalised it on his mastering ranch. When Martin sent Meiko the first demo CD, the signer was surprised how far many of the songs were already developed. „For some songs only the guitar or additional keyboard parts were missing, while two or three songs were actually finished. Funny thing: At that time none of us knew that I would end up singing on this album. The production process took quite a long time and even in the final mix there were some changes. I think Martin is a perfectionist when it comes to his band,“ says Meiko with spirit. For the future Nautilus don´t want to wait twelve years again to release our next album. There are a few demos and the wish to do more in the near future. “ We will all record new ideas and send them to Martin who has to find some time to listen to all the material and sort everything out. Not everything we compose will be suitable for a Nautilus album. There is always the thin line between a necessary musical progress and the artistic vision for Nautilus. When the general situation will be improved, we hope that the stores can open soon again, so that the label and we will not lose too much money,“ concludes Meiko, bringing an end to our conversation. ‚The Mystery of Waterfalls‘ is out now on CD and vinyl. Check Nautilus out at https://nautilus-nedland.de/
Interview mit der Redaktion der Nautilus, dem Magazin des deutschen Jules Verne Clubs
Nordpolpilger auf der Nautilus
Vor etwa zehn Jahren stieß ich durch Zufall auf eine Rezension des damals gerade erschienenen Albums In Search of Castaways der deutschen Band Nautilus. Der Titel ließ mich aufhorchen, denn Jules Vernes Roman Die Kinder des Kapitän Grant war in englischsprachigen Ländern als In Search of the Castaways erschienen. Wie, eine ganze CD zum Kapitän Grant? Die Beschreibung des Rezensenten und das Cover der CD – ein geheimnisvolles, versunkenes Schloss – machten mich neugierig, und so bestellte ich mir das besprochene Album ganz spontan. Um es kurz zu machen: Ich war begeistert! Nautilus‘ sanfte Gitarren- und Synthesizerklänge nahmen mich sofort gefangen und entführten mich in ferne Länder. Titel wie „Paganel’s Dream“ oder das 22-minütige „In Search of Castaways“ zeigen sehr deutlich, wo die Reise hingeht. Die Musik von Nautilus ist – von wenigen Sprachsamples abgesehen – vollständig instrumental und eignet sich gleichermaßen als intensives Hörerlebnis unter Kopfhörern wie auch als Soundtrack zum Buch. Ein Blick auf die Diskografie der Band enthüllt schließlich die einzigartige Tatsache, dass sich die ersten 5 Nautilus-Alben jeweils mit einem bestimmten Jules Verne-Roman beschäftigen: Rising Balloon geht mit uns fünf Wochen lang auf Ballonreise, Underground Visions nimmt uns mit zum Mittelpunkt der Erde, mit Solar Moon begleiten wir die Herren Barbicane, Nicholl und Ardan alias Ludwig, Obel und Strätz auf dem Flug zum Mond. Auf North Pole Pilgrim bereisen wir zusammen mit Kapitän Hatteras das Nordpolarmeer, während In Search of Castaways mit Jacques Paganel & Co. auf die Suche nach Kapitän Grant geht. Doch genug der Vorrede, lassen wir lieber Martin Ludwig selbst zu Wort kommen.
JVC: Martin, zuerst einmal vielen Dank, dass du Zeit für uns gefunden hast. Du hast mit Nautilus zwischen 1998 und 2008 insgesamt sechs Alben herausgebracht. Danach wurde es still um euch. Was ist inzwischen passiert?
ML: Einiges, das die Nautilus zum Stillstand gebracht hat. Persönliche und berufliche Gründe. Ich selbst hatte mich mit einem sozialen Projekt selbständig gemacht, unser Gitarrist Werner hat sich verstärkt politisch/gewerkschaftlich engagiert und unser letztes drittes Mitglied Jürgen hat sich dem Schreiben zugewandt. Es war vorher schon aufwändig, da unsere Wohnorte weit auseinander liegen, aber in den letzten Jahren hatten wir immer weniger Zeit für Nautilus übrig.
Hinzu kommt, dass der CD-Markt in den letzten Jahren doch ziemlich eingebrochen ist. Bereits bei der letzten CD mussten wir die Hälfte der Produktionskosten übernehmen, damit das Label das stemmen konnte. Nun macht zwar keiner, der solche „Nischenmusik“ macht, die im Formatradio völlig ignoriert wird, dies aus finanziellen Gründen, aber wenn man vierstellige Beträge abstottern muss, damit eine CD überhaupt veröffentlicht wird, führt dies schon zu einer gewissen Resignation. Aber es ist noch nicht aller Tage Abend …
JVC: Wenn ich die Musik von Nautilus beschreiben soll, dann fallen mir als erstes Namen wie Pink Floyd, Tangerine Dream, Mike Oldfield oder Vangelis ein. Wo siehst du eure wichtigsten musikalischen Einflüsse?
ML: Die ersten drei Namen kann ich für mich persönlich schon als wichtige Einflüsse bestätigen, Vangelis weniger. Im Prinzip gibt es nur ein Nautilus-Stück, das man mit Vangelis vergleichen kann, nämlich „The final discovery“. Dieses geht auf unser kurzzeitiges Mitglied Ralf Weiden zurück, der für In Search of Castaways diese, wie ich finde, sehr gelungene Persiflage auf „Conquest of Paradise“ einbrachte. Werner kommt dagegen aus der Blues-Ecke und würde wohl Rory Gallagher als größten Einfluss nennen. Uns war es aber von Beginn an wichtig, unseren eigenen Stil zu finden und nicht wie jemand Anderes zu klingen. Sehr großen Anteil in den ersten Jahren daran hatte Ralf Obel, mit dem ich Nautilus 1998 als reines Elektronik-Duo ins Leben rief (Gitarrist Werner Strätz war bei den ersten beiden Alben zunächst „nur“ Gastmusiker). Er sorgte als Sampling-Spezialist bei den ersten vier Alben u.a. auch für den damaligen World Music-Touch, der für die Jules Verne-Thematik ja durchaus stimmig ist, wenn ich beispielsweise an „The Mystery Jungle“ vom ersten Album denke. Ich selbst bin zudem noch ein ganz großer Beatles-Fan. Und irgendwie ist „Yellow Submarine“ (insbesondere der Film) ja eine Art Pop-Art-Variante zur Nautilus …
JVC: Für sehr Nautilus-typisch halte ich den warmen Klang eurer Musik. Von Anfang an ist Grobschnitt-Musiker Eroc für das Mastering zuständig. Wie kam dieser Kontakt zustande?
ML: Grobschnitt waren lange Jahre meine absolute Lieblingsband und pflegten immer intensiven Kontakt zu ihren Fans, insbesondere Eroc – auch nach seinem Ausscheiden. Ich hatte seine Telefonnummer und Adresse und schickte ihm einfach eine Demo-Aufnahme eines Stückes. Er hat sich prompt gemeldet und meinte, dass man da was schönes draus machen könnte. Also bin ich mit Werner zusammen zu ihm ins Studio gefahren, Werner hat die Gitarre zu meinem laufenden Demo eingespielt, die Eroc noch mit einigen Drum-Samples versehen hat und fertig war das spätere Titelstück für unsere erste CD Rising Balloon. Das war speziell für mich schon ein besonderes Erlebnis. Der Mann, den ich als Teenager nach Konzerten um ein Autogramm bat und der zu den gefragtesten Mastering-Spezialisten weltweit gehört, produziert auf einem Mischpult, das den 20-fachen Wert meines kompletten Equipments hat, ein Musikstück von mir. Als ich mir die fertige Aufnahme das erste Mal zuhause angehört habe, hab ich geheult wie ein kleines Kind. Der Kontakt ist geblieben und wir haben dann ab der zweiten CD unsere CDs komplett von ihm mastern lassen, was letzten Endes auch nur möglich war, weil er ein großes Herz für kleine Musikanten hat, die sich eine solche Professionalität bzw. deren Kosten eigentlich gar nicht leisten könnten.
JVC: Alle Nautilus-Alben drehen sich um Jules Verne und seine Bücher. Wenn ich es richtig verstanden habe, geht diese Thematik auf dich zurück? Welche Rolle spielt oder spielte Jules Verne in deinem Leben?
ML: Ich war schon als Kind eine große Leseratte und stand auf Abenteuerfilme. Am allermeisten hatten es mir die ZDF-Vierteiler angetan und ich wollte nach so einem Weihnachts-Vierteiler auch immer die Bücher lesen, nach denen sie entstanden sind. So hab ich dann im zarten Alter von sieben Jahren bereits den Seewolf gelesen und mehrfach Tom Sawyer und Huckleberry Finn. Und so bin ich damals wie selbstverständlich auch in die Buchhandlung gegangen, nachdem Zwei Jahre Ferien lief. Das war mein erstes Verne-Buch, die damalige Sonderausgabe des Diogenes-Verlags. Darin stieß ich auf die Erwähnung weiterer Verne-Titel, die mir bekannt vorkamen, insbesondere Die geheimnisvolle Insel, von der 1973 ein Sechsteiler in der ARD lief, den ich mit großer Begeisterung gesehen hatte. Von da an war ich völlig Verne-infiziert und gab mein Taschengeld zunächst für die 20-bändige Fischer-Taschenbuchausgabe aus und ließ mir wenig später die Bärmeier & Nickel-Ausgabe zu Weihnachten schenken.
JVC: War dir von Anfang an bewusst, dass die Fischer-Ausgabe stark bearbeitet ist? Viele Leute, die mit dieser Ausgabe aufgewachsen sind, lieben sie trotzdem, obwohl sie stellenweise eher nacherzählt als übersetzt ist.
ML: Mir war das damals recht schnell bewusst, da ich ja die dicke Sonderausgabe von Zwei Jahre Ferien bereits hatte und die Unterschiede waren schon sehr deutlich. Ich habe mir dann auch nach einer Weile die Diogenes-Ausgaben zugelegt. Die sind sicher besser, aber von Zwei Jahre Ferien abgesehen, waren die Fischer-Bände in Bezug zu vielen anderen Romanen mein Verne-Einstieg. Wenn ich Verne heute wirklich lesen will, greif ich lieber zu anderen Übersetzungen, aber als leichte Urlaubslektüre sind die von Fischer immer noch eine pfiffige Möglichkeit.
Mit 12 Jahren etwa begann ich nach den Hartleben-Erstausgaben zu suchen und hab den Verlag angeschrieben und bei unzähligen Antiquariaten nachgefragt, was in einer Zeit, in der es noch kein Internet gab, ziemlich aufwendig war – und letzten Endes auch vergebens. Ich musste 34 Jahre alt werden, bis ich das erste Exemplar ergatterte, just zu der Zeit, als unsere erste CD Rising Balloon rauskam. Netter Zufall, dass Verne bei Erscheinen von Fünf Wochen im Ballon exakt genauso alt war. Meine Verbundenheit zu Jules Verne ist geblieben, allerdings haben andere literarische Interessen in den letzten Jahren „aufgeholt“, und so bin ich heute mindestens ein ebenso großer „Sherlockianer“ wie „Vernianer“ … Ich war auch einige Male in Amiens, habe dort sogar mal an der Mauer des Madelaine-Friedhofs übernachtet und den mit Abstand kuriosesten Museumsbesuch meines Lebens erlebt.
JVC: Da Conan Doyle ja ein Zeitgenosse Jules Vernes war, finde ich das gar nicht so abwegig. Aber jetzt hast du mich neugierig gemacht. Was ist denn damals in Amiens passiert?
ML: Als ich das Museum bzw. Dokumentationszentrum betrat, war ich der einzige Besucher. Ein paar Minuten stand ich rum wie Äppken Doof, dann kam eine Frau, die mich fragte, was ich denn wolle. Mit meinen paar Brocken Französisch erklärte ich ihr, dass ich das wolle, was man in einem Museum eben so tut. Daraufhin meinte sie, dass sie schnell einen deutschsprachigen Museumsführer für mich holen wolle. Cool, dachte ich mir. Ein persönlicher Führer und das noch vollkommen gratis. Als der dann kam, hätte man vermutlich nicht gerade ein Foto von mir machen dürfen. Selbst am Ballermann wär ich vermutlich noch als Depp des Jahres gekürt worden. Es kam ein kleines Männchen, gefühlt um die 90, mit einer Jules-Verne-Bart-Perücke (vielleicht aber auch echt), schlohweiß am Ende, um den Mund aber Tabakbraun. Im Mund befanden sich meiner vorsichtigen Schätzung nach exakt zwei Zähne. Er war unglaublich nett und freundlich, aber auch unheimlich betrunken. So bin ich ihm dann in Schlangenlinien durch das Museum hinterhergedackelt. Alles ging gut, bis ich nach Vernes Arbeitszimmer fragte, welches sich ja im Türmchen des Hauses befand. Dummerweise wurde der Treppenaufgang gerade renoviert und war nicht begehbar. Aber da war ja dieses Fenster, von dem man aufs Dach gelangen konnte und über dieses dann zu den Fenstern des Turms; so könne man sich das Arbeitszimmer von außen durch die Fenster ansehen. Ich vermute zumindest, dass er sowas ähnliches zu mir gesagt hatte (ich vernahm nur ein Lallen), denn im nächsten Moment war er schon auf allen Vieren über den Fenstersims aufs Dach raus. Ich bekam ihn grade noch so an seinen Hosenträgern zu packen. Ich hab Blut und Wasser geschwitzt, bis ich den guten Mann wieder ins Haus zurückgezogen bekommen habe. Unvergesslich …
JVC: Ende 2015 ist in Berlin eine Ausstellung von Christian Tagliavini zu den Voyages Extraordinaires gestartet, der Blitz-Verlag bringt einen neuen Kapitän Nemo-Roman heraus … Was glaubst du, warum Jules Verne über hundert Jahre nach seinem Tod noch immer als Inspiration für Künstler dient?
ML: Weil es schlichtweg in der Literaturgeschichte keinen phantasievolleren Autor gab, der zudem trotz seiner oft verblüffend real werdenden Visionen dem Leser Raum ließ, seine eigenen Phantasien zu entwickeln bzw. weiterzuspinnen. Das beweisen alleine schon die unzähligen Filme, die z.T. aufgrund nur weniger seiner Motive entstanden sind, aber ihre Basis in seinem Werk haben. Hinzu kommt, dass man wohl auch heute kaum unterhaltsamer seine Allgemeinbildung verbessern kann als durch einen Verne-Roman. Ich möchte aber betonen, dass für mich selbst die technischen Visionen seiner Bücher nie das ausschlaggebende Kriterium für meine Begeisterung waren. Ich empfinde sein Werk vor allem als romantisch, ähnlich wie Verne es im Eröffnungssatz des Karpatenschlosses ausgedrückt hat.
JVC: Du meinst den berühmten Satz „Die nachfolgende Erzählung ist nicht phantastischer, sie ist nur romantischer Art“. Das geht mir übrigens ähnlich. Der oft kolportierte „Visionär“ Jules Verne existiert für mich nicht in der Art, wie er heute gern von diversen Medien dargestellt wird. Für mich war Verne vor allem ein äußert exakter Chronist der wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften und Möglichkeiten seiner Zeit. Dieser Schnappschuss-Effekt seiner Bücher macht für mich viel des nach wie vor anhaltenden Zaubers aus. Übrigens, der Jules-Verne-Club ist dir nicht ganz neu; du hattest in der Vergangenheit bereits Kontakt zum Club. Wie kam es dazu?
ML: Das war in der Anfangszeit des Clubs, den ich damals im Internet entdeckt habe. Ganz genau weiß ich es nicht mehr – es ist ja schon 15 Jahre her – aber ich glaube, ich habe dem Gründer des Clubs (Dieter ?) eine CD geschickt und mich mit ihm im Jules Verne-Restaurant in Berlin getroffen. Nach seinem Ausscheiden hab ich dann irgendwie den Kontakt verloren, wir haben aber mit „Solar Moon“ damals an einem Kreativwettbewerb des Clubs teilgenommen.
JVC: Stimmt, das war Dieter Michaelis. Das Berliner Restaurant gibt es übrigens heute noch. Hattet ihr bei dem Wettbewerb Glück?
ML: Wir landeten so etwa im Mittelfeld.
JVC: Für mich persönlich bildet euer bis dato letztes Werk Along the Winding Road den musikalischen Höhepunkt eures Schaffens. Vieles, was auf früheren Alben teilweise nur angedeutet war, kommt erst hier zur vollen Blüte, und alles wirkt wie aus einem Guss. Durch den homogenen Klang des Albums könnte man auf die Idee kommen, dass es sich hier eher um die Produktion eines einzelnen Künstlers handelt. Oder war die Band zu diesem Zeitpunkt schon so gut aufeinander abgestimmt?
ML: Da muss ich vielleicht vorausschicken, dass man sich Nautilus nicht wie eine „normale“ Band vorstellen darf, die sich ständig im Proberaum trifft. Jeder von uns hat seine Stücke weitestgehend alleine produziert und es wurde danach von den anderen mit Ausnahme von Werners Gitarrenspuren relativ wenig hinzugefügt, mitunter auch gar nichts. Die ersten vier Alben waren dabei sehr geprägt von den sehr unterschiedlichen Kompositionsweisen von Ralf und mir und damit heterogener gestaltet. Bei In Search of Castaways und Along the Winding Road war Ralf nicht mehr dabei und ich habe produktionstechnisch bei den Stücken der anderen wesentlich mehr eingegriffen als zuvor. Bei ATWR kam noch hinzu, dass ich aufgrund des für mich sehr persönlichen Themas (der gewaltsame Tod meines besten Jugendfreundes) eine durchgehende sehr melancholische Atmosphäre erzeugen wollte. Dabei kam mir der Input von Jürgen Dürrbeck entgegen, dessen Demos bereits in diese Richtung gingen. Man kann es vielleicht auch so sagen: die ersten vier Alben waren zur Hälfte meine „Babys“, die letzten beiden zu zwei Drittel.
JVC: Gleichzeitig ist Along the Winding Road euer erstes Album, auf dem Jules Verne nur eine untergeordnete Rolle zu spielen scheint, und mit den beiden Titeln „Last Rise of the Balloon“ und „The End, isn’t it …?“ deutet sich gar das Ende eines Kapitels an. Wie kam es zu diesem thematischen Richtungswandel?
ML: So – nun oute ich mich mal endgültig als Spinner, denn ich hatte ursprünglich eine ähnlich verrückte Idee wie der Musiker Sufjan Stevens. Der wollte zu jedem US-Bundesstaat eine eigene CD machen, hat diese Vorhaben aber bereits nach „Illinois“ und „Michigan“ wieder aufgegeben. Ich hatte tatsächlich im Kopf, den kompletten Verne zu vertonen – und das in chronologischer Reihenfolge (was für die ersten fünf CDs ja auch zutrifft), aber dann wäre Abenteuer von drei Russen und drei Engländern in Südafrika gekommen und das fand ich wenig inspirierend. Da mich zu dieser Zeit eben auch der bereits genannte Todesfall stark beschäftigte, wäre mir eine tonale Umsetzung eines Romans über Vermessungstechnik reichlich albern vorgekommen.
JVC: Das kann ich nachvollziehen. Und es ist absolut legitim, sich auch einmal mit anderen Themen zu beschäftigen. Aber wäre nach dem Kapitän Grant nicht 20000 Meilen unter dem Meer dran gewesen?
ML: Das stimmt natürlich, aber nach In Search of Castaways, also 2004, ging ich noch von einem Verne-Thema für die nächste CD aus, und ich dachte daran, 20000 Meilen zu überspringen. Da gab es diese UMA-CD zu dem Thema und auch noch ein anderes Projekt dazu, an das ich mich aber nicht mehr erinnern kann. Ich wusste damals ja nicht, dass so viele Jahre ins Land gehen würden, bis sich die Frage wieder stellt. Wahrscheinlich macht es jetzt mehr Sinn. dann überspring ich später lieber den Südafrika-Roman, der für mich zu seinen schwächsten zählt …
JVC: Spannende Frage: Wie geht es – inhaltlich und musikalisch – nach über 7 Jahren mit Nautilus weiter?
ML: Gute Frage. Wenn sich an meinen Vorsätzen fürs neue Jahr nichts ändert, wird es 2016 ein neues Album geben, notfalls in einer Kleinauflage. Gut vorstellbar ist aber auch, dass ich mich solo an einer Sherlock Holmes-Story versuche.
JVC: Wir freuen uns darauf und sind sehr gespannt! Gibt es eine Homepage, auf der man sich über eure nächsten Projekte informieren kann?
ML: Leider hat unser damaliger Webmaster die alte Homepage ohne unser Wissen vom Netz genommen. Die neue Homepage ist derzeit im Aufbau; der aktuelle Stand kann unter http://www.nautilus-nedland.de/ besucht werden.
Vielen Dank, Martin! Abschließend möchte ich allen interessierten Jules-Verne-Fans mit einem offenen Ohr die Musik von Nautilus ans Herz legen. Wer hinter Tangerine Dream keine neue Duftkreation von Rossmann vermutet und für wen Pink Floyd mehr als nur ein VW Golf aus den Neunzigern ist, der dürfte sich bei Nautilus sofort heimisch fühlen. Der Klangkosmos, den die Band auf ihren bisherigen 6 Alben erschaffen hat, lädt zum Einsteigen und Mitreisen ein. Und wenn die Nautilus im nächsten Jahr tatsächlich wieder auf große Fahrt geht, dann dürfen wir uns wohl jetzt schon auf ein außergewöhnliches Hörerlebnis freuen.
Interview mit dem Online-Magazin „MusikZirkus-Magazin.de“
Copyright Stephan Schelle / www.musikzirkus-magazin.de
Stephan: Martin, Du bildest mit Ralf Obel das Duo NAUTILUS. Wie seid ihr zusammengekommen ?
Martin: Ralf und ich haben uns kennengelernt durch einen Infoletter,
den mir Ralf etwa Anfang 1995 zugeschickt hatte. Er bot damit seine
beiden MC-Produktionen in Kleinauflage an, damals noch unter dem
Pseudonym „Aquarius“. Meine Adresse hatte er aus dem Kleinanzeigenteil
des Elektronik-Magazins „Cascades“. Um ganz ehrlich zu sein, hab ich den
Infoletter damals nicht weiter beachtet, aber auch nicht weggeworfen.
Einige Monate später blätterte ich in einer älteren Keyboards-Ausgabe
und stieß auf die Rezension von Ralf´s erster MC „Recalls and
illusions“, die von Albrecht Piltz recht gelobt wurde. (Piltz hat noch
vor einigen Jahren in unregelmäßigen Abständen Tape-Besprechungen
unbekannter Elektroniker gebracht). Daraufhin habe ich den Infoletter
hervorgekramt und seine beiden Tapes bestellt. Ich habe seine Musik
sofort als erfrischend anders empfunden, wenn auch mitunter als etwas
gewöhnungsbedürftig. Etwa zur gleichen Zeit habe ich mir meinen ersten
Synthesizer zugelegt und meine ersten musikalischen Experimente
begonnen. Es entstand ein reger Briefkontakt mit Ralf (wir wohnten
damals – wie auch heute – 300 km auseinander), während dessen wir
natürlich auch unsere neuesten musikalischen Ergebnisse austauschten.
1997 reifte dann bei mir der Entschluß meine Musik unter dem Namen
Nautilus herauszubringen. Zunächst wollte ich das alleine machen, hatte
aber auch das Gefühl, das irgendwas fehlte, eine Art musikalischer
Gegenpol. Da Ralf und ich bereits über eine „Aquarius“-Veröffentlichung
durch ein geplantes „Nautilus“-Label gesprochen hatten, der Name
„Aquarius“ aber durch den gleichnamigen Vertrieb schon „besetzt“ war,
letztenendes aber vor allem, weil mir seine Musik im Laufe der Zeit
immer besser gefiel und mich auch für meine eigene Musik inspirierte,
schlug ich ihm vor gemeinsam unter „Nautilus“ Musik zu machen. Er war
sofort dabei – was für mich musikalisch wie menschlich ein echter
Glücksfall war.
Stephan: Habt ihr schon vorher allein oder in einer Band Musik gemacht ?
Ralf: Ich habe seit 1994 unter dem Namen „Aquarius“ bereits 2 MC´s
und 2 CD´s in Kleinstauflage veröffentlicht. Einige Nautilus-Stücke
basieren in überarbeiteter Form auf den damaligen Aquarius-Stücken.
Martin: In einer Band habe ich nie gespielt. In meiner Kindheit habe
ich Gitarre gespielt (mehr schlecht als recht) und damals schon eigene
Stücke geschrieben, so richtig mit Grifftabellen und Texten. „Message of
the earth“ (Nautilus-CD „Underground Visions“) basiert auf so einem
Stück aus dem Jahre 1976. Der Text dazu ist glücklicherweise
verschollen…
Stephan: Gibt es die „Aquarius“-Veröffentlichungen noch oder sind die mittlerweile vergriffen ?
Ralf: Die sind eigentlich vergriffen. Die DAT-Bänder habe ich natürlich noch…
Stephan: Nautilus ist ja bekanntlich der Name des U-Bootes von
Kapitän Nemo, welches in den Erzählungen „20.000 Meilen unter den
Meeren“ und „Die geheimnisvolle Insel“ des französischen
Science-Fiction-Schriftstellers und Visionärs Jules Verne vorkommt. Auch
die bisher von Euch veröffentlichten CD´s sind Erzählungen von Jules
Verne gewidmet. Die erste CD „Rising Balloon“ seiner ersten Geschichte
„Fünf Wochen im Ballon“ und „Underground Visions“ dem Buch „Reise zum
Mittelpunkt der Erde“. Wart ihr so fasziniert von den Erzählungen, dass
ihr diesen Namen gewählt habt ?
Martin: Nun, das mit Jules Verne ist auf meinen Mist gewachsen. Jeder
hat halt so seine Steckenpferde, man könnte auch „Spleens“ sagen. Ich
habe zwei: Jules Verne und Laurel & Hardy. Zu Verne sei gesagt: ich
habe auch andere Autoren aus meiner Jugendzeit „herübergerettet“, wie
Twain, Dickens, Conan Doyle oder Poe, warum ich gerade zu Jules Verne
eine so große Affinität entwickelt habe, kann ich gar nicht so genau
erklären. Mit Sicherheit nicht, weil er als „Vater der Science-Fiction“
gilt. Ich war nie ein großer Science-Fiction-Fan. „2001-Odyssee im
Weltraum“ z.B. habe ich bis heute nicht gesehen.
Verne hat nur ganz selten den Boden der Realität verloren. Bei ihm gibt
es keine Klingonen, fliegende Hunde oder was weiß ich noch alles. Er hat
das bestehende Wissen seiner Zeit mit sehr viel Phantasie aufbereitet.
Und hier ist für mich der erste Bezug zur Nautilus-Musik. Wir haben ja
schließlich keine neuartige Musik erfunden. Heute ist es ja so: man läßt
meinetwegen die Snare-Drum weg und hat ne neue Schublade gefunden (wer
kann die ganzen Stilbezeichnungen eigentlich noch auseinanderhalten ?),
im besten Fall eine neue musikalische Strömung, deren Quelle
letztenendes aber, nimmt man die „Elektronische Musik“ – und was ist
heute in der sogenannten zeitgenössischen Musik eigentlich nicht mehr
elektronisch ? – dann doch wieder Tangerine Dream oder Kraftwerk sind.
Es kann eigentlich nur darum gehen, die musikalischen Einflüsse, die man
im Laufe seiner Entwicklung erlebt, möglichst phantasievoll
weiterzuspinnen. Es ist wie bei einem Kind, daß mit Bauklötzen spielt.
Die Klötzchen sind immer die gleichen, aber es lassen sich die
unterschiedlichsten Türme damit bauen. Wieso also nicht mal einen
Elektronik-Samba oder -Boogie, wie wir es schon gemacht haben. Verne hat
in seiner Phantasie die ganze Erde bereist und nicht nur die. Für mich
sind die Nautilus-CD´s „musikalische Reisen“ und die möchte ich auch gar
nicht begrenzen.
Was die Titel der CD´s anbetrifft, sollte man diese nicht überbewerten.
Zwar sind die Titelfolgen grob den entsprechenden Romanen
nachgezeichnet, als eine Art „Soundtrack“ sind sie aber nun wirklich
nicht zu verstehen. Man muß dem Kind halt einen Namen geben.
Und ich für meinen Teil mag es nun mal, wenn eine CD eine Art „roten
Faden“ hat und nicht nur eine lose Folge von „electronicals“ darstellt.
Musik, Cover und Thema sehe ich gerne als eine Einheit und bei Jules
Verne gibt es faszinierende Themen ohne Ende. Ich weiß, daß dies
heutzutage beinahe schon anachronistisch anmutet, aber ich lade mir
immer noch nicht irgendwelche MP3´s runter, sondern möchte was „in der
Hand haben“. Das Auge hört schließlich mit….
Wir möchten uns auch nicht dem allgemeinen Trend in der Szene
anschließen, in der immer mehr Leute dazu übergehen, keinerlei Risiko
mehr einzugehen und ihre Musik auf lieblos gestalteten selbstgebrannten
Rohlingen zu vertreiben. Aus finanziellen Gesichtspunkten kann ich das
zwar gut verstehen, aber ich frage mich manchmal schon, welche Bedeutung
ihre eigene Musik für diese Leute überhaupt noch hat. Wenn ich wochen-,
monatelang an einem Geschenk bastele, pack ich das doch anschließend
auch nicht in Clopapier ein, oder ?
Stephan: Ist „Rising Balloon“ eure erste Veröffentlichung ?
Ralf & Martin: Ja !
Stephan: „Underground Visions“ ist sowohl musikalisch als auch
klanglich eine Steigerung zu „Rising Balloon“. Wie sehr ihr diese
Entwicklung ?
Ralf: Zum Klang: Voraussetzung für eine gut klingende CD sind moderne
Recording Tools und ein professionelles Mastering. Wir versuchen, so
weit wie möglich, mit den modernsten Aufnahmetechniken (im Software- wie
im Hardwarebereich) zu arbeiten. „Underground Visions“ wurde komplett
von EROC gemastert, was wohl den Hauptgrund für die Klangverbesserung
darstellt.
Zur musikalischen Steigerung: Vielen Dank, wir versuchen auch weiterhin noch besser zu werden.
Stephan: Im Booklet der CD´s bedankt ihr euch auch bei EROC. Auf der
ersten CD hat er bei dem Titelstück die Drumsamples und die Produktion
des Titels übernommen, bei der zweiten CD hat er zwei Stücke produziert.
Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit EROC und welchen Anteil hat er an
den Platten ?
Martin: Seinen Anteil hast Du bereits ziemlich korrekt beschrieben.
Es war eine glückliche Fügung. Anfang 1998 lebte ich noch in meiner
alten Heimat im unterfränkischen Raum. Dort gibt es eine Rockband namens
Rauschgelb, bei der zur damaligen Zeit auch unser Gitarrist Werner
mitspielte. Ein Freund spielte mir einen Titel der Band vor, der mich
beeindruckte. Ich besuchte die Band im Proberaum und ermunterte sie,
sich mit ihrem guten Songmaterial bei einem professionellen Produzenten
zu bewerben. Als alter Grobschnitt-Fan hatte ich EROC´s Adresse und nahm
für die Band Kontakt zu ihm auf. Tatsächlich lud er die Band zur
Produktion einer Promo-CD ins namhafte Woodhouse-Studio in Hagen ein.
Obwohl er der Band ein günstiges Angebot vorlegte, bekamen einige von
ihnen im letzten Moment kalte Füße. Nun hatte ich einen Termin bei EROC,
aber keine Band mehr. Zu dieser Zeit hatte ich gerade ein Stück namens
„Gomera“ fertiggestellt und wollte gerne einen Gitarrenpart mit ins
Stück bringen. Also habe ich EROC mein Demo geschickt. Es gefiel ihm und
er meinte, daß man da was schönes draus machen kann. Ich hab mir dann
den Werner als Gitarristen geschnappt, der schon ganz enttäuscht war,
daß die Band nicht mitzog und hab dann deren Termin wahrgenommen. Daß
EROC den Schlußteil von „Gomera“, aus dem das Titelstück von „Rising
Balloon“ wurde, mit von ihm selbst eingespielten Drum-Samples erheblich
aufwertete, entstand spontan im Studio und war nicht geplant gewesen.
Ich hätte mir nicht träumen lassen, da0 der Mann, dessen Schlagzeugspiel
ich auf „Rockpommel´s Land“ oder „Solar Music Live“ so bewundert hatte
und den ich als Teenager nach einem Konzert schüchtern um ein Autogramm
bat, irgendwann mal quasi ein Musikstück mit mir zusammen produziert.
Prozentual war EROC´s Anteil auf „Rising Balloon“ eher gering. Als
Ansporn für mich und letztenendes für Nautilus war er jedoch enorm.
Bei „Underground Visions“ hat EROC Werner´s Gitarre bei zwei Stücken
abgemischt und die komplette CD gemastert. Die dritte CD „Solar Moon“,
die im September erscheint, haben wir im Alleingang komplett produziert.
Was EROC aber vom Klang her aus den Aufnahmen herausgeholt hat – da
fliegt dir wirklich das Blech weg. Der Mann ist einfach genial.
Stephan: Wird EROC auch zukünftig an Euren CD´s klanglich mitwirken ?
Martin: Wenn er Zeit und Lust dazu hat, würden wir uns freuen.
Stephan: Neben euch beiden tauchen auf den Platten die Gastmusiker
Werner Strätz und Alexander Burghardt auf. Alexander ist auch auf beiden
CD´s bei je einem Stück als Komponist mit angegeben. Wie fest sind die
beiden in das Projekt mit eingebunden ?
Ralf: Alexander ist Musiklehrer und kommt eigentlich aus dem
Jazz/Rockbereich. In meinen musikalischen Anfangsjahren stand er mir
immer mit Rat und Tat zur Seite, wodurch wir auch das eine oder andere
Musikstück zusammen komponiert haben. Hin und wieder treffen wir uns und
machen aus Spaß an der Freud´ etwas Musik oder hören einfach an, was
jeder von uns neu aufgenommen hat. Leider treffen wir uns momentan
aufgrund von sehr unterschiedlichen Arbeitszeiten in unseren jeweiligen
Jobs eher selten.
Martin: Nun, das Werner Strätz nun fest bei Nautilus ist, habe ich
schon erwähnt. Er ist ja eigentlich „Blueser“, durch sein variables
Spiel aber der ideale Gitarrist für uns. Was nicht heißen soll, daß wir
nur noch Stücke mit Gitarre machen werden. Nautilus ist und bleibt erst
mal in erster Linie eine Elektronik-Band.
Stephan: Durch die Entfernung zwischen Euren Wohnorten würde mich
noch interessieren, wie ihr eure Stücke produziert. In den Booklets der
beiden ersten CD´s findet sich kein Titel, den ihr beide zusammen
komponiert habt. Komponiert jeder seine eigenen Stücke und bringt sie
auf die CD oder wirkt der jeweils andere auch noch bei den Stücken mit ?
Spielt ihr die Stücke zusammen ein? Wenn ja, wie werden die
Musikdateien untereinander ausgetauscht.
Martin: Kleine Richtigstellung: Auf beiden CD´s ist jeweils ein
gemeinsames Stück drauf und zwar „Flying home in Trance“ und „Mysterious
underworld“. Im ersten Falle war es beispielsweise so, daß Ralf eine
von mir erstellte Komposition, die ich ihm per Midi-File geschickt habe,
mit seinen Instrumenten und verändertem Arrangement produziert hat. Das
ist aber auch das einzige Mal gewesen, daß ein Stück auf diese Weise
entstanden ist. Jeder von uns komponiert erstmal seine Stücke und
produziert davon ein Demo. Nachdem wir dann mit den eigenen Stücken und
denen des anderen eine Zeit lang „schwanger“ gegangen sind, treffen wir
uns und produzieren die Sachen gemeinsam. Da muß man halt mal eine Woche
Urlaub nehmen oder ein langes Wochenende einschieben. Bis jetzt hat
sich die Zusammenarbeit bei jeder CD trotz aller Umstände verstärkt. Auf
der neuen CD „Solar Moon“ ist nur jeweils ein Stück von uns beiden, daß
komplett alleine eingespielt und produziert wurde.
Stephan: Wird man euch mal live erleben können ?
Ralf: Wir haben erste Überlegungen angestellt. Momentan sehe ich
allerdings noch etliche technische Probleme, die vorher gelöst werden
müssen. Ich denke, hier muß der ein oder andere E-Musiker mit
Live-Erfahrung zu Rate gezogen werden.
Martin: Ich sehe die Probleme weniger im technischen als im
organisatorischen Bereich. Jeder von uns wohnt in einem anderen
Bundesland und hat ja „nebenbei“ noch einen 40-Stunden-Job. Ralf wird
außerdem bald zum zweiten Mal Papa – da kommen noch etliche schlaflose
Nächte hinzu. Grundsätzlich möchte ich mit Nautilus erst dann auftreten,
wenn wir den Leuten wirklich was bieten können. Wenn man sich manche
Elektronik-Konzerte ansieht – besonders erquickend ist es ja nicht, wenn
da ein paar Leutchen hinter ihrem Computer sitzen und sonst passiert
nichts. Da kann man auch ne CD einlegen. Es muß sich musikalisch und
visuell etwas tun. In einer 4-Mann-Besetzung (inkl. Drummer) wollen wir
kommenden Januar einen Proberaum beziehen und da einiges einstudieren.
Mal sehen, was dabei herauskommt. Für mich steht das Erstellen eines
Bühnenprogramms für das Jahr 2001 ganz klar im Vordergrund. Meiner
Ansicht nach sollten wir auf ein Studio-Album im nächsten Jahr
verzichten.
Stephan: Welche musikalischen Vorbilder habt ihr ?
Ralf: Direkte musikalischen Vorbilder habe ich keine. Ich habe mit
meiner Musik auch noch nie versucht wie die Gruppe X oder der Musiker Y
zu klingen. Im elektronischen Bereich mag ich besonders die Musik von
Johannes Schmoelling („White Out“ ist für mich das Elektronikalbum
schlechthin), Rüdiger Lorenz und Peter Mergener.
Martin: Vorbilder ? Wie jemand anderes klingen zu wollen, ist erstens
reizlos und geht zweitens mit Sicherheit in die Hose. Einflüsse gibt es
sicher, ich lebe schließlich nicht in einem Vakuum. Dazu kommt, das ich
eigentlich jeder Musik, die abseits vom Mainstream-Gedudel liegt,
erstmal sehr offen gegenübersteh´. Vor einigen Monaten z.B. war ich bei
einem Konzert eines Jazz-Pianisten mit klassischer Ausbildung, der mit
einem marokkanischen Oud-Spieler und Sänger auftrat. Wunderbar ! Oder
die Sache, die Pete Namlock mit Burhan Öcal gemacht hat. Da treffen ja
eigentlich „Welten“ aufeinander, aber das ist ja gerade das Spannende,
vorausgesetzt, man läßt sich überhaupt darauf ein. Musik hat als einzige
wirklich universelle Sprache die Macht, Grenzen aufzureißen und
Kulturen miteinander zu verbinden, Da ist es mir mittlerweile nicht mehr
möglich zu sagen „dies beeinflußt mich, das andere nicht“. Musik muß
mich in erster Linie emotional berühren, da ist es mir schnurz-piep-egal
aus welcher Ecke sie kommt.
Natürlich gab es vor allem in meiner Jugendzeit musikalische
Aha-Erlebnisse, die mich nachhaltig geprägt haben. Pink Floyd´s „Wish
you were here“ , TD´s „Encore“, Oldfield´s „Ommadawn“, Grobschnitt´s
„Solar Music“ oder „Sterntaler“ von Michael Rother.
Ach ja, und vorher natürlich schon die Beatles. Also, da könnte ich
jetzt noch bis Weihnachten aufzählen und wär´ immer noch nicht fertig.
Deshalb: Vorbilder ? Nein, aber jede Menge Anregungen….
Stephan: Die zweite CD „Underground Visions“ ist auf dem Sound-Line-Records-Label erschienen. Ist das ein eigenes Label ?
Martin: Nein, das ist das Label von Uwe Bauch aus Nürnberg, welcher auch selbst Elektronik-Musiker ist.
Stephan: Martin, du hast neben deinen musikalischen Aktivitäten auch
einen eigenen Plattenvertrieb, in dem nicht nur Veröffentlichungen aus
dem Bereich Elektronikmusik angeboten werden. Erzähl ein wenig darüber.
Martin: Ich habe das Ganze vor einigen Jahren erstmal so lose im
Bekanntenkreis gestartet. 1998 meldete ich dann „Nautilus-Records“ als
Gewerbe an. Ich vertreibe neue und second-hand-CD´s sowie LP´s aus
nahezu allen Musikrichtungen, der Schwerpunkt liegt aber bei Elektronik
und Progressiv-Rock.
Stephan: Du bringst ja auch einen Katalog heraus. Dieser zeichnet
sich dadurch aus, dass er neben den Angeboten auch CD-Rezensionen und
weitere Infos (in der Ausgabe Sommer 2000 ist ein umfangreiches
Interview mit EROC abgedruckt) enthält. Wie können Interessierte an
diesen Katalog kommen ?
Martin: Ganz einfach: schreiben, faxen, mailen oder anrufen. Hier alles, was man dazu braucht …